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Louis Armstrong – 1928-1931 (1971)

AMIGA 850070
(ein Exemplar –  eigene Sammlung)

Covertext

Die Aufnahmen der Jahre 1928 bis 1931 sind von großem musik-historischem Interesse. Sie zeugen von Veränderungen in Armstrongs Spielweise und seinem Repertoire. Nicht min der aufschlußreich ist Armstrongs schöpferisches Bemühen, dem nivellierenden Einfluß der amerikanischen Musikindustrie zu entgehen.

Nach dem 1. Weltkrieg setzte in den USA eine Periode der Hochkonjunktur ein. In diesem Prozeß wurde die Tanzmusik immer stärker zu einem gefragten Artikel, dessen Warenwert zusehends stieg. Wo das kleinbürgerliche Konjunktur-Gefühl noch einer unbekümmert-lautstarken Musik verlangte, wurde es durch Dixielandformationen weißer Amerikaner und in zunehmenden Maße durch das Einbeziehen negerischer Bands, die im Stile des New Orleans Jazz musizierten, befriedigt. Im Kampf um Anerkennung und Gutbürgerlichkeit erreichte der New Orleans Jazz seine höchstmögliche Popularität. Dadurch begannen im Repertoire eingängige Weisen der Neger und Schlager der amerikanischen Musikindustrie zu überwiegen. Im Verlaufe der weiteren Entwicklung wurde so aus dem New Orleans Jazz, einer „um Selbstausdruck und um Kommunikation unter gleichen bemühten plebejischen Kunst eine kulturelle Ware, deren Beschaffenheit zu beträchtlichen Teilen von ihrer Verkaufbarkeit abhing“ (Asriel).

Die Nachkriegsprosperität hatte aber nicht nur das Gefühl des In-den-Tag-hinein-Lebens genährt. Mit der einsetzenden Wohlhabenheit bürgerlicher und kleinbürgerlicher Kreise hatte sich gleichzeitig eine Tendenz zum Konservatismus und zur Saturiertheit herausgebildet. Diese Kreise gaben der geglätteten, arrangierten, jazzsinfonischen Musik eines Paul Whiteman – der ab 1924 in New York Triumpfe feierte – den Vorzug. Im Bemühen, mit mithalten zu können, bildeten sich ab 1923/24 gleichfalls negerische Big Bands dieses Typs heraus.

Die Erweiterung des Instrumentariums führte zu tiefgreifenden Veränderungen. An die Stelle des kollektiven Improvisierens traten nunmehr Soli der Starsolisten, unterbrochen und eingerahmt von Tutti-Chorussen. Aufgabe der kleineren Gruppen und der Big Bands war es im wesentlichen, zum Tanz zu spielen, bzw. für Schallplatte und Rundfunk entsprechende Titel aufzunehmen. Das bereits in der älteren Jazz-Musik enthaltene Element des Swing, des tänzerisch Schwebenden, wurde stark hervorgehoben, es wurde immer mehr zum stilbestimmenden Merkmal.

Mit seiner 1928 gegründeten zweiten Hot Five – auf Plattenetiketten auch als Orchestra und Savoy Ballroom Five bezeichnet – trug Armstrong dazu bei, die neue Tendenz musikalisch zu formen. Im Gegensatz zu früheren Gruppen finden sich hier arrangierte Tutti-Chorusse im Wechsel mit den dominierenden Soli Armstrongs, die sich durch brillante Technik bis in extrem hohe Lagen, einen aggressiv-kraftvollen Ton und Ideenreichtum auszeichnen. Nur noch gelegentlich – meist im dritten Chorus, siehe „Squeeze me“ – kam es zum kollektiven Improvisieren. Wo Armstrong die Texte der vorzutragenden Musikstücke zu kitschig fand, distanziert er sich humorvoll-ironisch davon. Indem er sinnlose Silben aneinanderreiht und sie in einer Art vorträgt, die allen Gesetzen europäischer Gesangskunst widerspricht, schafft er einen rauhen, aber herzlichen und ehrlichen Gegenpol zu ihrem süßlich-albernen Inhalt.

Die Weltwirtschaftskrise des Kapitalismus, die im Oktober 1929 begann, stürzte viele in Armut und Elend. Die Zahl der Arbeitslosen stieg unaufhaltsam. Wer im Geschäft bleiben wollte, mußte sich anpassen. Auch die Musikindustrie wurde zur Umstellung auf die veränderten Publikumsbedürfnisse gezwungen. Gefragt war nunmehr viel Sentiment. Dem wurde durch das stärkere Einbeziehen von Saxophon, Violinen und Background-Gesangsgruppen Rechnung getragen. So kamen z. B. bei der Aufnahme von „Rockin‘ Chair“ drei Violinen hinzu. Obgleich sich die Begleitorchester beträchtlich vergrößert hatten, griff Armstrong häufiger als früher zum Dämpfer. Die Verfeinerung des technischen Raffinements seiner Soli zeigt, daß auch er der Modeströmung der größeren Empfindsamkeit Rechnung trug. Die Forderungen der Unternehmer der amerikanischen Musikindustrie nach Wiederholung manirierter Erfolgsstücke ließ manche Soli einander ähnlich werden und begünstigte das weitere Einfließen trivialer Schlager in Armstrongs Repertoire. Äußerlich daran erkennbar, daß die zwölftaktigen, am Blues orientierten Formen zunehmend durch das 32- und 16-taktige Songschema ersetzt wurden.

Sidney Finkelstein – ein profunder Kenner der Situation – bestätigt in seinem Buch „Jazz – A People’s Music“, daß die amerikanische Musikindustrie Armstrong zwang, ein musikalisches Doppelleben zu führen, da sie die am wenigsten schöpferischen Werke auf Schallplatte herausbrachte. Doch Armstrong nahm die nivellierenden Forderungen der amerikanischen Unterhaltungsindustrie weder passiv auf, noch erfüllte er sie. „Sein Werk stellt vielmehr einen Kampf gegen die von ihr auferlegten Bedingungen und ein Angriff auf ihr Material dar … Als eigenwilliger Musiker formte er alles, was er spielte, nach seinem Geschmack um.“

P. Hofmann

Titelliste

A1 – Sequeeze Me (Williams-Waller)
Louis Armstrong, Earl Hines, Macy Cara (voc)
Louis Armstrong and his (2.) Hot Five
rec. 29.6.28

A2 – Basin Street Blues (Williams)
Louis Armstrong (voc)
Louis Armstrong and his Orchestra
rec. 4.12.28

A3 – St. James Infirmary Blues (Primrose)
Louis Armstrong (voc)
Louis Armstrong and his Savoy Ballroom Five
rec. 12.12.28

A4 – Mahogany Hall Stamp (Williams)
Lous Armstrong and his Orchestra
rec. 5.3.29

A5 – Ain’t Misbehavin‘ (Waller-Razaf-Brooks)
Louis Armstrong (voc)
Louis Armstrong and his Orchestra
rec. 19.7.29

A6 – St. Louis Blues (Handy)
Louis Armstrong (voc)
Louis Armstrong and his Orchestra
rec. 13.12.29

A7 – Rockin‘ Chair (Carmichael)
Louis Armstrong, Hoagy Carmichael (voc)
Louis Armstrong and his Orchestra
rec. 13.12.29

B1 – Song Of The Islands (King)
Louis Armstrong (voc)
Louis Armstrong and his Orchestra
rec. 24.1.30

B2 – Body And Soul (Heyman-Sour-Green)
Louis Armstrong (voc)
Louis Armstrong and his Sebastian New Cotton Club Orchestra
rec. 9.10.30

B3 – Memories Of you (Black-Razaf)
Louis Armstrong (voc)
Louis Armstrong and his Sebastian New Cotton Club Orchestra
rec. 16.10.30

B4 – You’re Lucky To Me (Black-Razaf)
Louis Armstrong (voc)
Louis Armstrong and his Sebastian New Cotton Club Orchestra
rec. 16.10.30

B5 – Sweethearts On Parade (Lombardo-Newman)
Louis Armstrong (voc)
Louis Armstrong and his Sebastian New Cotton Club Orchestra
rec. 23.12.30

B6 – You’re Driving Me Crazy (Donaldson)
Louis Armstrong (voc)
Louis Armstrong and his Sebastian New Cotton Club Orchestra
rec. 23.12.30

B7 – Just A Gigolo (Casucci-Ceasar)
Louis Armstrong (voc)
Louis Armstrong and his Sebastian New Cotton Club Orchestra
rec. 9.3.31

B8 – Shine (Dabney-Brown-Mack)
Louis Armstrong (voc)
Louis Armstrong and his Sebastian New Cotton Club Orchestra
rec. 9.3.31

VEB DEUTSCHE SCHALLPLATTEN BERLIN DDR

Gestaltung: Rudolf Grüttner
VEB Gotha Druck

Ag 511 / 01 / 71
Verpackung nach TGL 10609

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